03.12.2025
Die Kunstpioniere aus Klasse 10 starten ein neues Forschungsprojekt im Kunstverein Harburger Bahnhof
Eine Ausstellung besuchen, bevor sie eröffnet wird?!
Eine Ausstellung besuchen, bevor sie eröffnet wird? Genau das haben fünf Schüler:innen des Kunstkurses Klasse 10 gemacht. Zwischen Gerüsten, Werkzeugkisten und einem umtriebigen Aufbauteam durften wir all unsere Fragen an die Kuratorin Karla Hülskamp stellen.
Den Kunstverein, der mitten im geschäftigen Harburger Bahnhof liegt, wird von den Reisenden, die zu ihren Zügen hasten, meistens kaum wahrgenommen. Dabei lohnt sich ein Blick in den Kunstverein, der immer kostenlos zu besuchen ist, auf jeden Fall. Öffnet man die mächtige Tür zum Kunstverein am Abgang zum Gleis 3/4, befindet man sich im ehemaligen Wartesaal und Restaurant der 1. und 2. Klasse des Bahnhofs. Man muss dazu wissen, dass es damals auch noch die 3. und 4. Klasse gab! Entsprechend mondän sah es im Wartesaal für die wohlhabenderen Gäste aus. Diese Anmutung strahlt der sieben Meter hohe Saal mit seiner wunderschönen Holzdecke, die denkmalgeschützt ist, bis heute aus. Kunstvereine wurden und werden vom Bürgertum organisiert und sollen niedrigschwellig Kunst für alle Bürger*innen erlebbar machen.
Den Kunstverein Harburger Bahnhof gibt es jetzt seit 26 Jahren und fördert meist junge und lokale Künstler*innen und deren zeitgenössische Kunst. Insgesamt gibt es 1,5 feste Stellen im Kunstverein Harburger Bahnhof, alle weiteren Mitarbeitenden werden je nach Bedarf angefragt. Eine wichtige Position ist die der Kuratorin bzw. des Kurators. Diese Person entwickelt das Thema der Ausstellung, wählt passende Künstler*innen aus und übernimmt die Betreuung der ausgestellten Werke. Die aktuelle Kuratorin, Karla Hülsmann hat sich für das Thema „Temporary Bodies“ entschieden. Fünf Künstlerinnen stellen ihren Arbeiten aus, die sich alle mit Verlust, Tod und Trauer beschäftigen. Zwei Videoarbeiten, eine Installation und Malerei müssen in dem riesigen Raum so präsentiert werden, dass sie wirken können. Darum kümmert sich eigens eine Ausstellungsarchitektin, die Räume in dem großen Saal durch gehängte Stoffbahnen schafft, ohne die denkmalgeschützte Decke zu beschädigen.
Eine Ausstellungseröffnung miterleben
Am Freitagabend, den 28.11. 25 machten sich sieben Schülerinnen auf den Weg, die Ausstellungseröffnung mitzuerleben. Pünktlich um 19 Uhr standen alle mitten in der nun perfekt aufgebauten Ausstellung. Nur langsam füllte sich der Saal des Kunstvereins und so hatten alle Zeit, sich die Kunstwerke in aller Ruhe anzusehen. Gerade die Videoarbeiten von Emily Vey Duke & Cooper Battersby und Every Ocean Hughes laufen etwas länger als eine halbe Stunde, wenn man sie in Gänze guckt. Die Filmstationen waren sehr beeindruckend, auch wenn es zum Teil schwer zu verdauen ist, wenn es z.B. um die hygienische Versorgung der Verstorbenen geht oder ein ganzes Leben auf 30 Minuten verdichtet wird.
Bei dem Film von Emily Vey Duke (You were an Amazement on the day you were born) konnte man Kopfhörer aufsetzen und so die Atmosphäre hautnah miterleben. Direkt daneben lief der Film von Every Ocean Hughes (One big bag) auf einer größeren Leinwand, wie im Kino. Viele haben sich dort hingesetzt und den ganzen Film angesehen. Besonders spannend war, dass die Künstlerin Brianna Leatherbury vor Ort war und uns bereitwillig ihre Installation erklärt hat. Die Künstlerin aus Amsterdam hat eine riesige Kühlbox im Kunstverein aufgestellt, in die man auch betreten darf. Leatherbury erklärte uns, dass sie sich von der Frage „Welchen Gegenstand würdest du mit ins Grab nehmen?” inspirieren lassen hat. Die Frage dreht sich darum, welcher Gegenstand für die Menschen am wertvollsten ist. Sie beschäftigt sich viel mit Kupfer und modelliert damit Kopien von diesen „bedeutenden“ Gegenständen. Für die Ausstellung hatte sie eine alte Urne von einer verstorbenen Katze namens Fudge genutzt, daraus mehrere identische Kopien aus Kupfer hergestellt und diese Teile in die Komponente der Kühlbox integriert. Warum sie ausgerechnet einen „Kühlschrank“ mit so einer besonderen Urne verbindet hat sie so erklärt: so wie man in einem Kühlschrank Lebensmittel lange aufbewahrt, kann auch das Material Kupfer sehr lange genutzt werden.
Um 20 Uhr hielt die Kuratorin vor nun doch gut gefülltem Haus die Eröffnungsrede. Besonders berührt hat uns ihre Erklärung zur Wahl des Ausstellungsthemas. Die Malereien der Ausstellung stammen von einer guten Freundin (Rahel Sorg) von ihr, die im letzten Sommer gestorben ist. Für die Kuratorin ist die Ausstellung somit auch verbunden mit einer künstlerischen Fürsorge.